Statement zur Lage in Afghanistan von Sina Beckmann, Bundestagskandidatin Bündnis90/Die Grünen

Ein Versagen der Bundesregierung

Nun ist das passiert, was wir als Deutschland, als Staatengemeinschaft mit der NATO so lange versucht haben zu verhindern – das die Taliban wieder an die Macht kommen. Rasend schnell haben die Extremisten Afghanistan nun wieder in Besitz genommen, nachdem die US-Truppen und auch die Bundeswehr erst im Juni abgezogen wurden. 20 Jahre Einsätze von verschiedenen Nationen, viele Tote, viel Leid – das scheint heute alles vergebens. Jetzt herrschen dort wieder die Taliban. Frauen dürfen nicht mehr ohne männliche Begleitung auf die Straße, müssen sich voll verschleiern, dürfen keiner Arbeit mehr nachgehen. Viele Ortskräfte, die der Bundeswehr vor Ort dienten, sind gerade in Lebensgefahr. In den Augen der Taliban sind sie Verräter. Sie und ihre Familien müssen jetzt um ihr Leben fürchten. Ebenso wie viele Afghaninnen und Afghanen, die so sehr gehofft hatten, dass sich ihr Land wieder in eine stabile Demokratie entwickelt. Viele wollen flüchten, werden flüchten. Die Deutsche Bundesregierung hat darauf als Antwort „2015 darf sich nicht wiederholen.“

Viele unserer Veteranen hatten bereits im Vorfeld dazu aufgefordert, die Ortskräfte rechtzeitig auszufliegen. Bündnis 90/ Die Grünen und Die Linke hatten den Antrag im Bundestag gestellt, eine großzügige Aufnahme afghanischer Ortskräfte einzuführen. Dieser wurde gemeinsam von CDU, SPD und AfD am 23. Juni abgelehnt. Die FDP enthielt sich.

Wenn unsere aktuelle Bundestagsabgeordnete der Region und die verteidigungspolitische Sprecherin der SPD vor vier Tagen in ihrem Statement zur Evakuierung der Ortskräfte aufruft, frage ich mich, warum dieses Handeln erst dann eintritt, wenn die Katastrophe schon da ist? Und jetzt, vier Tage später, ist nur noch ohrenbetäubende Stille zu hören. Diese Situation, die wir in Afghanistan erleben, ist ein Versagen der Bundesregierung.

Die Bundesregierung und auch die amerikanische Regierung haben sich zum Abzug aus Afghanistan bekannt und haben dort ein entstehendes Vakuum in Kauf genommen. Das füllen jetzt die Taliban, und unsere Bundesregierung erkennt an, dass sie die Lage unterschätzt hat. Deshalb ist es jetzt umso wichtiger, die Menschen vor Ort zu schützen, ihnen zur Hilfe zu kommen, eine Luftbrücke einzurichten und überall in Deutschland Flüchtlinge aufzunehmen – wie heute auch Schleswig-Holstein und andere Bundesländer bekannt gaben. Unbürokratisch und schnell. Jetzt ist keine Zeit für Bürokratie.

 

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