Zwei Artikel in den vergangenen Tagen im ‚Anzeiger für Harlingerland‘ über den Abriß der 1885 erbauten Villa in Wittmund und die Erschließung eines Baugebietes in der Gemeinde Holtgast ohne Vorgaben zum Klimaschutz lassen einen ratlos zurück.
„Wer abreißt, ist von gestern“! Diese Worte sagte die Präsidentin der Berliner Architektenkammer, Theresa Keilhacker, über ressourcenschonendes Bauen in einem Interview des ‚Tagesspiegels‘ vom 22. 01. 22. Die Fotos der alten Villa mit historischen Holztüren, -decken, -fenstern und einem wunderschönen Treppenhaus lassen jeden traurig werden über das Verschwinden des ortsbildprägenden Gebäudes. Im Magazin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ‚Monumente‘ vom Februar d.J. S. 23 ff. wird das Bauen im Bestand als Mittel zur Klimarettung als immer wichtiger beschrieben. „Jedes einzelne Bauteil, das vernichtet wird, ist in seinem Original unwiederbringlich verloren. Damit sind aber auch vor dem ökologischen Hintergrund sowohl die Rohstoffe als auch für die Erbauung aufgewandte Energie unwiederbringlich verloren“. Das trifft nicht nur auf die Wittmunder Villa zu, sondern z.B. auch für viele Abrisse von Häusern in Carolinensiel für den ausschließlichen Neubau von Ferienwohnungen.
Bauen und Wohnen gehören zu den ressourcen- , energie- und abfallintensivsten Bereichen überhaupt.
So ist das Bauen derzeit für 40 bis 50 % des weltweiten Rohstoffverbrauchs verantwortlich. Mit einem
Rohstoffeinsatz von 321 Millionen Tonnen pro Jahr ist der Bausektor der Wirtschaftsbereich mit dem
größten Ressourcenverbrauch in Deutschland verantwortlich und mit mehr als 200 Mio. Tonnen Abfall pro
Jahr für mehr als die Hälfte des jährlichen Abfallaufkommens.
Die Präsidentin des Bundes Dt. Architektinnen und Architekten (BDA), Susanne Wartzeck, zieht in dem
Magazin ‚Monumente‘ die Konsequenz: „Abriss und Neubau ist immer seltener die richtige Entscheidung.
Wirtschaftliche und ressourcenschonende Alternativen sind gefragt. Darum ist es naheliegend, mit dem
zu arbeiten, was wir haben: mit unserem Bestand“ und ruft gegen die „Wegwerfmentalität bei Gebäuden“
auf.
Wie in der Gemeinde Holtgast entstehen in vielen anderen Gemeinden des Landkreises Wittmund neue
Baugebiete. Positiv ist zu lesen, dass diese überwiegend für Einheimische reserviert werden sollen. Ein
erheblicher Fehler und ein Rückschritt wäre es allerdings, keine Vorgaben für Material und Klimaschutz
zu machen. Ist das Pariser Klimaschutzabkommen bei den behördlichen Stellen noch nicht angekommen? Wenn schon „neu“ gebaut wird, dann muss selbstverständlich jede Bautätigkeit hohen
Umweltstandars genügen. Hierzu gehören höchste Energieeffizienz sowie nachhaltige und gesunde
Baustoffe. Diese müssen entlang der gesamten Wertschöpfungskette nach ökologischer Vorteilhaftigkeit
bewertet werden.
Die Herausforderungen sind also groß. Um den sozial-ökologischen Wandel beim Wohnen und Bauen zu
erreichen, sind auch auf kommunaler Ebene viel politischer Wille und breites gesellschaftliches
Engagement nötig. Nur so wird dieser wichtige Bereich das Seine dazu leisten, die Klima- und
Ressourcenkrise und die drängenden Fragen unserer Zeit zu lösen. Klimaschutz und bezahlbares
Wohnen müssen zusammen gedacht werden. Dazu gehört auch eine Politik der fairen Wärme, einKonzept der Wärmeversorgung, etwa durch eine mögliche Nah- oder Fernwärmeversorgung.
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