Grüne kontern Tannen: Faktencheck zum Pestizideinsatz

In der vergangenen Woche hatten sich die Grünen im Kreisverband Wittmund (s. Anzeiger vom 10.9.2022) zustimmend über den Vorschlag des Europäischen Parlamentes und Rates zur Reduzierung von Pestizideinsatz geäußert. Dem entgegnete der Landvolk-Präsident Tannen, dass die Grünen die Realität aufgrund der ideologischen Brille nicht sehen (s. Anzeiger vom 13.9.2022).

Hierzu äußert sich nun Eberhard Hoffmann, Kreisvorstandssprecher der Grünen: „Leider argumentiert Herr Tannen zwar arrogant aber faktenfrei. Uns Grünen geht es aber darum, wie wir und künftige Generationen hier in Ostfriesland künftig gesund werden leben können.“ Zu den Behauptungen Tannen’s führt Hoffmann aus:

„Pestizide überhaupt ‚Pflanzenschutzmittel‘ zu nennen ist trügerisch. Es geht dabei ja gar nicht um den Schutz von Pflanzen, sondern um die Vernichtung aller Pflanzen, die nicht gerade angebaut werden und die nicht durch entsprechende Zucht unempfindlich gegen das Pestizid sind.“

In dem Vorschlag für eine EU Verordnung geht es daher um die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und um die Reduzierung chemischer(!) Pestizide um 50% bis 2030. EU Parlament und Rat begründen das so:

„Die Auswirkungen von Pestiziden auf die biologische Vielfalt, die Wasserqualität und andere Umweltparameter machen nicht an Grenzen Halt. Darum benötigen wir ein koordiniertes Vorgehen auf EU-Ebene, das einzelstaatliche und lokale Maßnahmen ergänzt und unterstützt.“

(Bericht über die Folgenabschätzung, Begleitunterlage zur EU Verordnung, vom 22.6.22)

Eberhard-HoffmannHoffmann betont: „Artenvielfalt und Wasserqualität sind auch aus unserer Sicht entscheidend für die Lebensqualität bei uns in Ostfriesland!“. Und auch wenn erfreulicherweise die Wasserqualität im Nordwesten Niedersachsens besser sei als im Rest unseres Bundeslandes: im Grundwasserbericht 2020 des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) werde ein „dringender Handlungsbedarf“ (S. 7) aufgezeigt.

Tannen hingegen nehme für sich in Anspruch, Klischees über die Landwirtschaft hätten Landwirte in Zusammenarbeit mit Umweltverbänden, Politik und Behörden längst hinter sich gelassen. Fakt ist laut Hoffmann jedoch, dass gerade hier im Landkreis Wittmund der „Runde Tisch Landwirtschaft“ unter LHV Beteiligung in der vergangenen Legislaturperiode zum Thema Pestizideinsatz keine Einigung fand und dies deshalb ausklammerte.

Laut Tannen helfen innovative Lösungen zur Reduzierung des Einsatzes von Pflanzengiften. Dem stimmt Hoffmann für die Grünen absolut zu:

„Nur leider werden innovative Lösungen von Tannen nicht hinreichend gefördert und gefordert. Im vergangenen Jahr hat der LHV ja versucht, uns im Gespräch und bei der Besichtigung eines ‚vorbildlichen‘ landwirtschaftlichen Betriebes zu überzeugen. Das Ergebnis: wir mussten sehen, wie dort unter RoundUp Einsatz der Boden des Maisfeldes zentimetertief komplett frei von Lebewesen, also Pflanzen und Tieren war – mit Ausnahme der Maispflanzen. Darüber hinaus wurde dort für Milchviehhaltung ohne Weideauslauf geworben.“

Bemerkenswert finden die Grünen, dass Herr Tannen immer wieder für den Niedersächsischen Weg wirbt. Hoffmann: „Schade nur, dass der Niedersächsische Weg immer noch nicht auf dem Weg ist, gerade hier im Landkreis Wittmund. Der Nds. Weg enthält ja gerade die Forderung nach mehr Natur-, Arten- und Gewässerschutz! Da gibt es keinen Widerspruch zum Vorschlag für eine Pestizid-Reduzierung.“

Und schließlich:

„Die Behauptung von Tannen, der Vorschlag für eine EU Verordnung sehe ein generelles Anwendungsverbot von Pflanzenschutzmitteln in allen geschützten Gebieten vor, der ist einfach nur falsch.“

Tatsächlich steht in dem Vorschlag: „In empfindlichen Gebieten – wie städtischen Grünflächen und Schutzgebieten gemäß Richtlinie 2000/60/EG, Natura-2000-Gebieten usw. – wird die Verwendung aller chemischen Pestizide verboten.“ (Vorschlag für die EU Verordnung, Seite 15).
Und dies unterstützen die Grünen laut Hoffmann ausdrücklich:

„Genau darum geht es ja: Reduzierung der Natur und Gewässer belastenden Pflanzengifte zugunsten innovativer Technologien und Pflanzenschutzmitteln mit natürlichen Mitteln biologischen Ursprungs bzw. ihnen identischer Stoffe gemäß Vorschlag zur EU Verordnung, S. 38, Artikel 3 Ziffer 1. Man muss es nur endlich machen!“

Und die Aussage Tannen‘s, damit werde die Ernährungssicherheit gefährdet bzw. die Getreide-Abhängigkeit von anderen Staaten erhöht, ist aus Sicht der Grünen angesichts der tatsächlichen Auswirkungen und angesichts total überhöhter Fleischproduktion in Niedersachsen einfach nur daneben.

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