Rote Karte für die Ratsmehrheit

Die Entscheidung im Bauausschuss am Montag-Abend für das Bauvorhaben Wittmunder Str. 24 in Carolinensiel löst in der Ortschaft bei vielen Menschen Unverständnis, Sprachlosigkeit und Wut aus, zumal Hunderte von Ihnen bereits vor 4 Jahren gegen den Abriss von alten Häusern und im letzten Sommer gegen das Fällen der Bäume auf diesem Grundstück durch Unterschriften ihren Unmut gegenüber den Ratsmitgliedern der Stadt Wittmund kund taten.

Allein schon dieses Votum führt das vor einem Jahr verabschiedete Leitbild des Ortes ad absurdum. Im Vorwort der Broschüre schreibt Bürgermeister Rolf Claußen u.a., wie wichtig ihm besonders „die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger“ sei. Kurdirektor Kai Koch stellt dort 4 Mindestanforderungen auf:

  1. „Nachweis einer wirkungsvollen Nachhaltigkeit
  2. Nachweis des sozialen und ökonomischen Nutzens für die lokale Bevölkerung
  3. Nachweis des Nutzens für die Gäste
  4. Nachweis des Nutzens für die ostfriesische Kultur und Natur“

Im Schlusssatz schreibt er: „Wir werden darauf achten, dass bei der Umsetzung einer Maßnahme die Gesamtauswirkungen dieser (Maßnahme) berücksichtigt werden.“

Für die engagierten Leitbild-Beteiligten löst die Haltung des Bauausschusses Frust, Unverständnis bis hin zum Rückzug des Engagements aus. Alles Geschriebene und Gesagte wird zur Makulatur. Wenn das Fraktionsmitglied der CDU aus Carolinensiel etwas intensiver am Leitbild mitgearbeitet hätte, wäre er bestimmt kein Befürworter dieses Bauvorhabens und hätte somit die anderen überzeugen können.

In der Leitbild-Analyse über Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken zählen zu den wesentlichen Schwächen u.a. die Gefährdung des Ortsbildes und Mangel an Grün. Ein wesentliches Risiko ist u.a. die Verdrängung der Natur.

In diesem Zusammenhang stellt sich im Nachhinein die Frage, inwieweit der vom Bauherren beauftragte Gärtner ein unabhängiger Baum-Sachverständiger war. Folgt man dem Leitbild-Vorwort von Kurdirektor Koch, dass gegensätzliche Entscheidungen zu begründen sind, fragen sich die Einheimischen: Warum gab es seitens der Stadtverwaltung keine Überprüfung der Bausubstanz des Hauses z.B. durch den Monumentendienst aus Cloppenburg, um so evtl. zum Erhalt des Gebäudes beizutragen? Wurde die obere Denkmalschutzbehörde in Oldenburg bezüglich der Sinnhaftigkeit des Hausabrisses gefragt?

In den kommenden Wochen soll eine Entscheidung über ein Förderprogramm städtebaulicher Denkmalschutz für den Ort gefällt werden, das vom Rat der Stadt unterstützt wird. Warum wartet man diese nicht ab, statt bereits am 23. Februar im Stadtrat über den Aufstellungs- und Beteiligungsbeschluss entscheiden? Das macht stutzig. Das Grundstück mit dem wertvollen Baumbestand und das Haus mit seiner über 100jährigen Geschichte stehen zwar nicht unter Denkmalschutz liegen aber in einem dieser Untersuchungsbereiche des Förderprogramms. Zur Erhaltung der historischen Bausubstanz im Ort ist die Entscheidung des Bauausschusses dafür absolut kontraproduktiv.

Sollte die Mehrheit im Stadtrat in gut 10 Tagen der Empfehlung des Bauausschusses folgen, wird Carolinensiel immer weiter dem Treiben von Investoren ausgeliefert, die nur das Ziel verfolgen, ihr Geld in Beton zu gießen. An immer mehr Stellen des Dorfes wird das deutlich sichtbar. Die touristische Attraktivität des Ortes schwindet mit jeder weiteren Ausdehnung dieser Ferien- und Zweitwohnungsbauten mit heruntergelassenen Jalousien. Eine Verdrängung bezahlbaren Wohnraums verbunden mit einer lebendigen Nachbarschaft hat längst stattgefunden. Dieser Tendenz entgegenzuwirken, sind weitsichtige und mutige KommunalpolitikerInnnen für den Stadtrat und Kreistag gefordert.

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